Tuesday, May 5, 2009

Welche EU in der Zukunft?

Ich weiß nicht ob es mich traurig oder freudig stimmen soll, wenn ich die Ausgabe vom Politikportal am 4. Mai lese.

Dort ist ein Artikel der Süddeutschen aufgeführt, in dem die Redakteure C. Bolesch und C. Gammelin beschreiben, wie Europapolitiker von nationalen Politikern bei gemeinsamen Auftritten marginalisiert werden. Obwohl die Europawahl in einem Monat stattfindet und die Bundestagswahl erst im September und obwohl das europäische Parlament weit mehr Macht als die nationalen Parlamente hat, spielt Europa für die politische Elite nur eine untergeordnete Rolle. In der Finanzkrise sind deutsche Arbeitsplätze bedroht; um deutsche Wählerstimmen zu sichern blendet man dann übergeordnete Ziele lieber aus. Stattdessen bearbeitet man den Wähler lieber in einer solchen Weise, dass er am einfachsten im September sein Kreuz an der richtigen Stelle macht. Bei den Wahlen im September geht es schließlich um 600 Plätze im Bundestag, statt um nur 99 Plätze im Juni im EP. Bei einer solchen Verdummung der Wähler muss man sich dann auch nicht wundern, wenn nur 34% aller europäischen Bürger überhaupt zu den Wahlen gehen wollen, wie aus dem letzten Eurobarometer hervorging. Die europäischen, und die deutschen, Bürger haben einfach Ahnung um welche Themen es bei dieser Europawahl überhaupt geht - da kann man es ihnen nicht verdenken, dass sie lieber gar nicht wählen als für Themen, die sie nicht überblicken können. Die Wähler selbst trifft daran die wenigste Schuld - eher noch sind die Politik und auch die Medien gefragt, europapolitische Themen bürgerfreundlich herunterzubrechen und zu erklären.

Dennoch gab es im Politikportal noch einen weiteren Artikel, der für mich in einem absoluten Gegensatz zur Marginalisierung von Europa durch die deutsche Politik steht. DPA meldet dass es noch nie so viele deutsche Studenten zu einem Erasmus-Aufenthalt ins Ausland gezogen hat. Das ist löblich und zeigt, dass es zwischen den Generationen im Bezug auf Europa einen himmelweiten Unterschied gibt. Die derzeitige deutsche Führungselite, Generation 55+, marginalisiert das Thema. Aber die europäische Identität wächst in einer neuen Generation von international orientierten und hoch qualifizierten jungen Deutschen heran. Die Volksvertreter der neuen Generation, wenn sie denn an der Macht sind, werden ebenfalls hoch qualifiziert sein, hervorragend mit neuen Medien umgehen können, in mehreren Sprachen sprechen, schreiben und denken und über nationale Grenzen hinwegsehen können.

Allerdings gibt es dabei auch ein Problem. Denn die gut qualifizierten jungen Menschen, die die Vorteile von Europa für sich erkannt haben, kehren Deutschland zum Studium oft den Rücken und sind auch nach dem Studienabschluss nicht mehr zurück zu gewinnen. Wo sind die deutschen Welterklärer? fragt sich deshalb die Zeitschrift Internationale Politik in ihrer aktuellen Ausgabe.

Hier gibt es Handlungsbedarf auf Seiten der deutschen Politik. Gerade ein Kanzlerkandidat, der als Außenminister keine Gelegenheit ausgelassen hat, die Vorteile Europas zu preisen, sollte im Hinblick auf die beiden aktuellen Wahlkämpfe dem Thema Europa einen größeren Stellenwert einräumen. Die junge Generation hat die Vorzüge von Europa längst erkannt. Es wird Zeit, dass Europa auch in der nationalen Politik eine deutlich stärkere Rolle einnimmt - und das nicht nur wenn Deutschland den Ratsvorsitz innehat.